warum barhuf?

Zugegeben: Der Unfall auf diesem Foto ist sicher ein Grund, aber ich hoffe sehr, dass dies eine einmalige Sache war.

Warum also Barhuf? Viele Pferde bekommen spätestens beim Einreiten den ersten Eisenbeschlag, weil Pferde eben Hufeisen haben. Die wenigstens Pferdebesitzer denken über den Sinn genauer nach. Bei der „Nutzung“ unserer Pferde heutzutage ist ein Eisenbeschlag fast immer unnötig. Ausnahmen bilden z. B. Arbeitspferde in ärmsten Regionen der Welt (s. Rumänien – Schmiede ohne Grenzen, deren Arbeit meine allerhöchste Anerkennung gilt), Kutschpferde, deren Besitzern man die Nutzung von Hufschuhen nicht zumuten kann oder Kaltblütern mit derart großen Hufen, dass die Hufschuhhersteller an ihre Grenzen kommen. Unfälle wie auf dem Foto oben, die natürlich auch einem Pferd passieren können, werden ebenfalls einen Eisenbeschlag benötigen.

 

Wann stößt die Barhufbearbeitung an ihre Grenzen?

Ein großes Problem bei den meisten Pferden heutzutage ist nicht die Mangelernährung, sondern die Überversorgung. Gerne wird überschätzt, was die Pferde an Arbeit leisten und wieweit sie tatsächlich über dem reinen Erhaltungsbedarf liegen. Dazu kommt oft eine 24-Stunden-Heufütterung (ad libitum – zur freien Verfügung). Kaum jemand macht sich die Mühe, das Heu auf den Zucker-, Protein- und Rohfasergehalt testen zu lassen. Das Ergebnis sind verfettete Pferd, deren Hufe stark unter dem hohen Gewicht und der mangelhaften Hornqualität leiden (von allem anderen einmal abgesehen). Die Hufe werden breiter, die Hufwände hebeln weg und die Sohle wird flacher. Ohne eine angepasste Diät ist es rein barhuf kaum möglich, Huf und Sohle wieder stark werden zu lassen. Hier kann dann u.a. ein Eisenbeschlag, ein Bekleb oder ein Hufschuh mit Polster helfen, der die dünne Sohle entlastet und den Huf stabilisiert, so dass das Pferd wenigstens keine Schmerzen mehr haben muss.

Entscheidend ist ebenso die Haltung. Wird das Pferd auf sehr abriebstarkem Boden (z.B. um die Heuraufe Betonpflaster, rundum Sand) gehalten, passiert es häufig, dass das Hufwachstum mit dem Abrieb nicht in Balance ist, also mehr abgerieben wird, als nachwachsen kann. Auch in diesem Fall stößt die Barhufbearbeitung an ihre Grenzen. Hilfreich sind z.B. Gummimatten auf dem Beton, ansonsten bleibt auch dann nur die Wahl zwischen Eisen, Bekleb und Hufschuhen. 

 

Hier sind einige interessante Huf-Fakten aufgelistet, die jeder Pferdebesitzer kennen sollte:

der Hufmechanismus

Pferde verfügen über 5 Herzen. Das Herz in der Brust, das für die Körpergröße und die Leistung, die es bringen muss, eher zu klein ist, aber dabei durch 4 weitere Herzen unterstützt wird – die Hufe. Beim Auffußen dehnt sich die Hufkapsel aus, Strahl und Sohle werden nach unten gedrückt, die Huflederhaut wird gedehnt und Blut strömt ein. Beim Abfußen zieht sich die Hufkapsel wieder zusammen, der Strahl und die Sohle gehen zurück.  Hierbei werden Blut, Lymphflüssigkeiten und die Flüssigkeit in den Sehnenscheiden aus den Beinen zurück Richtung Herz gepumpt, was zwingend erforderlich ist, da unterhalb der Fußwurzelgelenke keine Muskulatur vorhanden ist, die den venösen Blutfluss unterstützen könnte.

Eisenbeschlag kann diesen Hufmechanismus einschränken, es folgen Durchblutungsstörungen (die Hufe beschlagener Pferde sind oft fühlbar kälter, als die der barhufigen), Sehnen- und Gelenkprobleme sowie Arthrosen sind vorprogrammiert.

 

die Hornqualität 

Hufeisen schränken den Abrieb des Hufes ein – was so gewollt ist.  Das Horn wächst dennoch weiter und da der Abrieb ohne Bodenkontakt in großen Teilen fehlt (ein gewisser Abrieb findet auch auf den Eisen, besonders im Trachtenbereich statt) und zusätzlich die Durchblutung gestört ist, wird das Horn weicher und dünner, die Sohle bröseliger. Wird das Hufeisen abgenommen oder reißt wegen der schlechten Hornqualität ab, geht das Pferd klamm und fühlig. Fazit: Ein neues Eisen muss drauf. Oder?

Der Huf ist ein Meisterwerk der Natur. Viele Pferde gehen aus gutem Grund fühlig, wenn die Hufeisen abgenommen werden, aber erstaunlicherweise wächst das Horn je nach Haltung und Ernährung schnell und stark nach. Es braucht nur etwas Geduld und manchmal vorübergehend ein Paar Hufschuhe.

der Strahl

Der Strahl ist ein wichtiger Bestandteil des Hufes. Er trägt einen nicht unerheblichen Teil des Pferdegewichtes und dämpft jeden Schritt. Die in zwei Falten gelegte Strahllederhaut dient als Dehnungsfuge für den Hufmechanismus (s.o.). Durch die Keilform und die gummiartige Konsistenz wird dem Huf Griffigkeit verliehen.

Ein Strahl, der durch Beschlag komplett aus dem Tragen genommen wird, kann diese Aufgaben nicht mehr wahrnehmen und bildet sich zurück. Das Strahlhorn wird minderwertig und ein Festmahl für Bakterien, was wiederum zu Strahlfäule führen kann.

der Huf als Tastorgan

Der Huf ist mit zahlreichen Nerven und sogenannten Rezeptoren durchzogen, vergleichbar mit unserer Haut. Rezeptoren kann man sich als eine Art biologischer Sensor mit direktem Draht zum zentralen Nervensystem vorstellen. Diese Rezeptoren sind in Untergruppen mit unterschiedlichen Funktionen aufgeteilt und werden durch Temperaturunterschiede (Hitze, Kälte), Druck, Verletzungen, Entzündungen und mechanische Reize stimuliert, wodurch entsprechende Impulse gesendet werden.

Dadurch ergibt sich ein außergewöhnlicher Tastsinn, der nicht nur Strukturen, Konturen und Unebenheiten des Bodens erspürt, sondern auch in der Lage ist, kleinste Erschütterungen wahrzunehmen. Für das Flucht- und Lauftier Pferd überlebenswichtig.

Welche Auswirkungen ein Heißbeschlag mit dem üblichen Aufbrennen des Eisens auf den Tastsinn hat, konnte ich noch nicht wissenschaftlich fundiert herausfinden. 

Macht man sich den Huf als Tastorgan bewusst, wird deutlich, warum Pferde nach der Eisenabnahme »fühlig« gehen: Sie sind wieder in der Lage, den Boden zu fühlen.